Inspiration

Die Corona-Krise erfasst alle Lebensbereiche. Jeder ist auf seine Weise fast täglich mit Fragen zu den rechtlichen Auswirkungen des Coronavirus konfrontiert. Verbraucher fragen sich: Was passiert mit meiner gebuchten Reise? Arbeitnehmer fragen sich, ob ihr Arbeitgeber verlangen darf, dass sie eine andere Tätigkeit ausüben oder der Arbeitgeber genehmigten Urlaub zurückziehen darf. Auch Unternehmer sind betroffen. Insbesondere der deutsche Mittelstand. Hier stellen sich Fragen rund ums Homeoffice, den Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes oder nach staatlicher Beihilfe.

Wir sind keine Mediziner oder Virologen, die unmittelbar im Kampf gegen Covid-19 helfen können. Aber als Mitarbeiter eines Tech-Startups, mehrerer Kanzleien und einer studentischen LegalTech-Initiative verfügen wir über eine Expertise in den Bereichen: Legal und Tech. Diese haben wir gebündelt und gemeinsam den Corona Legal Chatbot erschaffen.

Was kann der Corona Legal Chatbot?

Der Corona Legal Chatbot soll jede Frage im Zusammenhang mit den rechtlichen Auswirkungen um Covid-19 beantworten können. Egal ob ihr als Unternehmer eine Frage zum Arbeitsrecht oder den Corona-Hilfsprogrammen der Regierung stellt oder euch als Verbraucher mit Fragen zum Reiserecht an ihn wendet. Fragen könnt Ihr den Corona Legal Chatbot zunächst auf Telegram #coronalegalchatbot. Wir arbeiten auch daran weitere Kanäle zu öffnen und sind diesbezüglich bereits mit Facebook über eine Lizenz für Whatsapp im Gespräch.

Ihr könnt den Corona Legal Chatbot aber auch als Rechtsexperte und Vertreter von Behörden oder öffentlichen Einrichtungen mit Antworten speisen und Eure Kontaktdaten für weitere Fragen oder eine rechtliche Beratung hinterlassen. Kinderleicht funktioniert dies mithilfe unseres Eingabetools.

Der Corona Legal Chatbot richtet sich an jedermann und jede rechtliche Frage. Die Crawler-Funktion unterstützt die Aktualität der Daten, was angesichts des sich dynamisch ändernden Rechtsrahmens von besonderer Bedeutung für die Qualität der Antworten ist.

Anders als die Google Suche eröffnet der Corona Legal Chatbot ein niedrigschwelliges Angebot, das bequemer und schneller zu einem passenden Ergebnis führt. Durch ein Ratingsystem lernt unser Chatbot welches die beste Antwort auf eine Frage ist und priorisiert diese für zukünftige Fragen. Vor allem aber ist unser Chatbot interaktiv und intuitiv zu bedienen. Er ist kein bloßes Fenster zu einer FAQ-Datenbank, sondern stützt sich auf die Intelligenz einer großen Gruppe von Experten.

Unser Chatbot holt Menschen dort ab, wo viele dieser Tage sind: Zuhause auf dem Sofa, in Social Media Channels. Und er greift das besondere Momentum der Krise, der Gedanke des #allefüralle auf, in dem er Experten ermöglicht als Content Creator tätig zu werden und den Corona Legal Chatbot so auszubauen.

Der Corona Legal Chatbot besticht auch durch seine Nachhaltigkeit. Die gesundheitliche Dimension der Krise könnten wir bald ausgestanden haben (fingers crossed), die negative wirtschaftlichen Folgen werden uns noch viele Monate, wenn nicht Jahre begleiten. In diesem Zusammenhang bleiben viele Rechtsfragen relevant oder stellen sich neu.

Wie haben wir es gebaut

Die Idee einen Chatbot für rechtliche Fragen zu bauen entstand aus der bestehenden Zusammenarbeit von Adornis Ventures (Software Startup) und FPS (renommierte Anwaltskanzlei), die Kompetenzen in vielen relevanten Bereichen aufweist, die jetzt in der Krise gefragt sind. Dieser initiale Kontakt erlaubte uns die Idee zu entwickeln und viele weitere Kontakte, Experten und Helfer mit ins Team zu holen, die uns technisch, rechtlich oder auch mit Marketing unterstützen.

Die Aufgaben wurden in zwei Teams “Content” und “Tech” aufgeteilt. Während die Gruppe “Content” häufig auftretende Fragen sammelte und passende Antworten inklusive Quellenangaben in ein Excel Sheet eintrugen, begann die Tech-Seite mit der Programmierung. Zunächst stellte sich die Frage welche Software als Basis dienen kann. Diese muss skalierbar sein und die notwendigen Features ermöglichen, die der Corona Legal Chatbot haben soll. Es wurde der Vorschlag eingebracht “Intercom” zu nutzen, der aber letztendlich zu Gunsten von Google’s Dialogflow und Telegram verworfen wurde. Dialogflow bietet die Option über sogenannte Intents mit Hilfe von Machine Learning über die Zeit die Intentionen des Nutzers besser zu verstehen und akkuratere Antworten zu liefern.

Zur Speicherung und Verarbeitung der Daten griffen wir auf bekannte Systeme, wie MongoDB und die Adornis eigene AdornisEngine zur Gestaltung zurück, da die Teilnehmer hiermit am vertrautesten waren. Für den Hackathin war es von zentraler Bedeutung, dass durch Vertrautheit mit dem Code und der Vorgehensweise, schnell robuster Code geschreiben wernde kann. Schließlich muss das Programm innerhalb von 48h einsatzbereit sein.

Das Konzept zum Frontend, bzw. der Chat, über den der Nutzer mit dem Bot kommuniziert wurde im Laufe der Gestaltung ebenfalls überworfen. Zunächst wurde eine eigene Chat-Oberfläche auf Webbasis gestaltet. Stattdessen etablierte sich “Telegram” als Messaging App, da Telegram die Erstellung von automatisierten Bots einfach ermöglicht und mit wenigen Klicks in Dialogflow integriert werden kann. Allerdings ist der Kommunikationskanal, über den der Nutzer mit den Bot schreiben kann, flexibel und unsere Vision umfasst eine Vielzahl von Möglichkeiten.

Als vierter und letzter Baustein des Programms wurde der Datenbank ein eigener Editor angefügt, mit hilfe Daten strukturiert erfasst und von Experten eingetragen werden können. Ein Import von .csv-Dateien in die Datenbank bleibt möglich.

Diagramm zum technischen Aufbau

Herausforderungen und wie wir sie gemeistert haben

Die Idee eines Corona Legal Chatbots ist zwar naheliegend. Innovation ist es allerdings erst, wenn man es einfach macht. Und genau den, aus diesem Grundsatz resultierenden Herausforderungen haben wir uns gestellt.

Antworten für Ratsuchende am richtigen Ort bereitstellen

Ziel ist es Komplexität für die Rechtsrat Suchenden zu reduzieren. Wir wollen keine weitere Website mit FAQs. Wir bieten einen Bot der über Telegram (CoronaLegalChatBot) und zukünftig auch über Whatsapp und den Facebook Messenger (Genehmigung durch Facebook jeweils ausstehend - Stand 22.03.2020, 22:36 Uhr) erreichbar ist und somit bereits in jedem Mobiltelefon integriert ist. Damit erreichen wir die Skalierbarkeit der Informationsverteilung.

Ein niedrigschwelliges Angebot um Inhalte bereitzustellen

Der gesellschaftliche Mehrwert des Corona Legal Chatbots hängt von der Bereitstellung von gutem Inhalt zusammen. Jeder, der solchen Inhalt beisteuern kann, soll die Möglichkeit erhalten wichtige Informationen beizutragen und zwar egal welche technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten zur Verfügung stehen. Dies betrifft insbesondere auch staatliche Institutionen wie Behörden auf kommunaler, Kreis- und Landesebene.

Wir stellen zwei Wege bereit, Informationen zu übergeben: eine einfache Onlinemaske dient zur Eingabe einer Antwort und einer Frage. Gleichzeitig kann eine ganze Reihe von Antworten in einer Excel-Datei hinterlegt werden, die dem Bot übergeben wird. So können auch schnell mehr als 100 Antworten auf einmal eingetragen werden.

Antworten des Bots aktuell halten

Die Antworten auf Rechtsfragen können sich durch neue Regelungen der Kommunen, Kreise, Länder und des Bundes schnell ändern. Um so wichtiger ist es, dass eine einst richtige Antwort korrigiert bestehen bleibt, wenn sie Ihre Aktualität verliert. Dies stellen wir sicher, indem die Autoren die Möglichkeit haben, ihre Antworten zu updaten. Einmal erstellte FAQs, die in einem Dokument (bspw. Excel-Datei) erstellt wurden, können nachträglich erneut hochgeladen werden. Hierdurch werden alte Antworten überschrieben. Dies ermöglicht es insbesondere Behörden zuverlässig tagesaktuelle Informationen bereitzustellen.

Wie differenzieren wir zwischen “gecrawlten” und “proaktiv eingestellten” Inhalten?

Wir durchsuchen die Seiten von Behörden, Institutionen, Kanzleien, etc. nach FAQs o.ä. Gleichzeitig ermöglichen wir Experten auf unserer Oberfläche Antworten über den Bot abrufbar zu machen. Die gecrawlten Inhalte unterliegen keiner Redaktion oder Überprüfung der Aktualität. Sie möchten wir dennoch nutzen. Entsprechende Antworten kennzeichnen wir für den User sichtbar im Crawler.

Proaktiv eingestellt Inhalte kommen von Experten, die sich zuvor einmal registriert haben und Ansprechpartner für die bereitgestellte Informationen sind. Dies macht der Bot dem Fragestellendem auch sichtbar, indem die Antwort als “approved” markiert wird.

Technik

Im Grundsatz betrachten wir ein doppelseitiges System, auf der einen Seite die Datenerfassung und auf der anderen Seite der Konsum durch den Chatbot. Es gilt, Dateneingabe und -ausgabe nicht nur kompatibel miteinander sondern reaktiv aufeinander abzustimmen. Zwischen den beiden Seiten vermittelt eine künstliche Intelligenz, die die abstrakten Absichten (Intents) der Chatbot-Nutzer strukturiert und diese mit der Knowledge-Base abstimmt. Im Umkehrschluss werden Interaktionen mit dem Bot zum Training der KI und der Erkennung von inhaltlichen Lücken im Angebot anonym protokolliert.

Durch diese Architektur mussten wir viele Teile neu entwickeln (Autorentool, Integration mit der KI, Integration mit dem Chat selbst, Deployment, Datenbankmanagement, …). Natürlich haben wir bestehende Lösungen genutzt wo es geht (Telegram, Dialogflow, MongoDB, AdornisEngine …), jedoch konnten wir auf keine bestehende ähnliche Struktur aufbauen.

Autorentool

Um den Datenbestand strukturiert verwalten zu können, haben wir ihn direkt auf Basis einer Datenbanklösung aufgebaut (MongoDB). Das war notwendig, um die saubere Übermittlung der Daten an die künstliche Intelligenz zu garantieren. Somit war ein eigenes Frontend notwendig, das die Datenbankverwaltung durch technisch weniger erfahrene Nutzer erlaubt (https://ccb.customer.adornis.de/contentadmin, Login mit beliebigem Namen, zum Beispiel im Nutzer “marvin” sind viele Inhalte verfügbar). Eine besondere Herausforderung war hierbei, gleichzeitigen Fokus auf Usability und Performance zu halten. In vielzähligen Team-Gesprächen auch mit juristisch versierten Mitstreitern haben wir wertvolles Feedback immer wieder iterativ eingebaut und geprüft.

Chatbot

Der Chat basiert im Rahmen des Prototypen auf Telegram, da die API für die Einbindung vergleichsweise offen und liberal ist. Dank der Modularisierung im Rahmen der Entwicklung ist aber die Einbindung von WhatsApp technisch kein Problem (bleibt abzuwarten ob Facebook den Account-Antrag zur WhatsApp-Business API akzeptiert).

KI

Künstliche Intelligenz ist bei uns mehr als ein Buzzword, sie wurde auf Grundlage von Google’s Dialogflow (Basis des Google Assistant) im Rahmen des Hackathon-Wochenendes bereits mit 100 Datensätzen und über 300 Interaktionen mit dem Chatbot trainiert. Um von einem Menschen als “intelligent” eingestuft zu werden und die Mehrzahl der Fragen zufriedenstellend beantworten zu können, braucht es wesentlich größere Skalierung und viel manuellen Input, aber wir wissen von anderen Systemen, dass dieser Weg praktikable und realistisch ist. Das technische System dazu ist jedenfalls bereit.

Erreichtes, auf das wir stolz sind

Als wir am Freitagabend um 22:00 Uhr das Projekt begannen, konnten wir nicht absehen mit wie viel Esprit, Engagement und Elan das Team dieses Projekt stemmt. Dies konnten wir auch auf weitere Mitstreiter übertragen und sind bereits heute stolz auf unser schnell wachsendes Netz aus Partnern und unsere Corona Legal Chatbot Expertengruppe.

Unsere Partner

Allein an diesem Wochenende konnten wir durch Belebung unseres Netzwerks Partner aus dem öffentlichen Sektor, der Wissenschaft und der Wirtschaft gewinnen. Dazu zählen bislang:

  • FPS Rechtsanwälte
  • Zentrale Beteiligungsgesellschaft der Stadt Mainz
  • Legal Tech Lab Frankfurt
  • Weblaw.ch
  • Rechtsanwaltskanzlei Mirella Endt-Eckhardt
  • KSB Intax
  • NOTOS Rechtsanwälte

Wir erweitern dieses Netzwerk in den kommenden Tagen. Um Kanzleien und insbesondere öffentlichen Institutionen, wie den Arbeitsagenturen, der KfW, den Ministerien, dem RKI und Verbänden. Sie alle sollen ihre rechtlichen Inhalte zu Corona in unserer Datenbank ergänzen. So können wir auch einen Beitrag zur bislang ausbaufähigen Entwicklung des E-Governments in Deutschland leisten.

Mit der Weblaw.ch haben wir sogar schon einen Partner in der Schweiz gewinnen können. Dort hörte man von unseren Aktivitäten und sprach uns auf Linkedin an. Die Weblaw.ch ist das schweizerische Pendant zu Beckonline, also die wichtigste juristische Datenbank in der Schweiz. Die Gespräche über den Corona Legal Chatbot Schweiz beginnen schon morgen.

Unsere Corona Legal Chatbot Expertengruppe

Unsere Expertengruppe erfüllt gleich mehrere Aufgaben. Zunächst sollen die Experten den Chatbot mit Antworten speisen (Contentcreation). Sollte eine Frage abschließend nur durch eine rechtliche Beratung beantwortet werden können, liefert der Chatbot den passenden Experten als Ansprechpartner weiter. Die Experten werden darüber hinaus bei der Bewertung der Antworten eingebunden und sichern so die hohe Qualität der Antworten des Chatbots.

In unserer Corona Legal Chatbot Gruppe auf LinkedIn schlossen sich in nur 24h bereits 88 Personen zusammen - Stand 22.03.20, 23:13 Uhr.

Technik

Ohne die unglaubliche Motivation unseres Teams und dem hohen Einsatz personeller Ressourcen unserer Partner hätten wir dieses aufwändige Projekt nicht an einem Wochenende umsetzen können. Besonders stolz sind wir auf die technische Organisation des Projekts, bei der die Einzelteile in der Entwicklung fast reibungslos in einen Gesamt-Prototypen aufgegangen sind.

Zwar wäre es für den Hackathon auch ein gangbarer und durchaus üblicher Weg gewesen, weite Teile des Prototypen nur anzudeuten (zum Beispiel die KI) und mehr Fokus auf den Pitch zu legen. Wir haben uns jedoch einstimmig dafür entschieden, schon jetzt eine solide Grundlage für die Nachhaltigkeit des Projekts zu legen und insbesondere die schwer zu realisierenden Teile möglichst zumindest als proof of concept umzusetzen. Eine wichtige Voraussetzung für ein späteres stabiles System ist, dass es modular aufgebaut ist. So haben wir zum Beispiel sichergestellt, dass der Chat-Client flexibel austauschbar ist, genauso wie die KI-Engine.

Open Source

Der Code ist im Geiste des Hackathons öffentlich verfügbar. Die Dokumentation ist work in progress. Wir stehen gerne auf Discord oder Slack oder per Issue im Repository für Fragen zur Verfügung. In den nächsten Tagen soll der Code so umstrukturiert werden, dass eine Nutzung durch Dritte möglich wird.

Was haben wir gelernt?

Vor allem haben wir über uns selbst gelernt, wie viel in zwei Tagen erreichbar ist. Vielen Dank an die Veranstalter und den unermüdlichen Einsatz der vielen Mentoren und Helfer. In technischer Hinsicht stechen ein paar Punkte heraus:

  • Das $text-indexing von MongoDB ist eine erstaunlich gute Suchmaschine, verglichen mit anderen reinen Volltext-Suchen ohne Konzepte wie Google’s PageRank, die auf Markov-Ketten oder Machine Learning basieren.
  • Die Integration von Chatbots ist leider absolut nicht standardisiert. Die meisten Formate, die über reinen Text oder Bilder hinausgehen, werden für jede Plattform einzeln angegeben. Das bedeutet relativ hohe Komplexität bei der Implementierung eines Bots für mehrere Chat-Plattformen.
  • Telegram erlaubt nur 2000 Zeichen pro Nachricht. Wenn diese überschritten werden, verschluckt die Integration zwischen Dataflow und Telegram die entsprechende Fehlermeldung. Das Debugging hat uns über 30 Minuten gekostet.

Nächste Schritte

Den Projektbeteiligten war bereits im Verlauf des Samstags, den 21.03 klar: dieses Projekt geht weiter. Die nächsten Schritte sehen vor:

  1. Weiteres Sammlen von Antworten (Contentcreation)
  2. Ausbau des Partnernetzwerks und der Expertenplattform
  3. Austausch mit Schweizer Kollegen, um den Corona Legal Chatbot auch für die CH-Jurisdiktion zu öffnen.
  4. Verfeinerung des Konzepts zur Aktualisierung der Antworten und zum Ratingsystem
  5. Vertiefung der Zusammenarbeit mit Behörden und öffentlichen Institutionen
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